Wir kannten einander nicht lange, eingehender erst nach 2014 nach seiner von allen Mitgliedern begrüßten Aufnahme in den Exil-PEN, Sektion der Schriftsteller im Exil deutschsprachiger Länder, wie der offizielle Name des Berufsvereins lautet. Davor hatten wir schon Bekanntschaft geschlossen, Kontaktdaten ausgetauscht, einmal rief er an, ich solle mir eine Sendung auf SAT.3 mit ihm und über ihn anschauen, ich ging hinüber zum Nachbarn, da wir keinen Fernseher hatten. Gemerkt habe ich mir aus dem Dokumentationsfilm seine angebliche „Schwäche für altes Gemäuer“, wie er es dort vor der Kulisse einer siebenbürgischen Kirchenburg formulierte.
Jede Zeitspanne einer näheren Bekanntschaft mit ihm käme mir allerdings kurz vor.
Bei allen Tagungen des Exil-PEN haben wir uns ausgiebig ausgetauscht, auch unsere „Gattinnen“, wie er sie nannte, kamen sich näher; besonders, wenn Hans und ich ins Siebenbürgisch-Sächsische verfielen, was wir gern pflegten.
Auch wenn er anrief, um eine knappe Auskunft zu erhalten, immer zielgenau, haben wir Mundart gesprochen, die uns beiden lag. Oft dauerte das Gespräch dann länger als eine halbe Stunde; dabei ging es um Grundsätzliches, keine Plauderei am Hörer, auch nicht in Sicht. Unüberhörbar dabei „das atemlos Hastende in, das Drängende, Treibende hinter deiner Stimme: als hättest du keine Zeit“, wie ich diesen Spannungszustand in einem Widmungsgedicht genannt habe.
Seine ausführlichen Briefe bin ich dabei zu sichten und zu ordnen; sie haben mich regelmäßig über die Lesezeit hinaus beschäftigt: weil sie einen Grundton hatten, der einmalig ist: eine Ernsthaftigkeit, die über das Abhandeln eines Themas hinausging. Es war ihm, was er ansprach, immer auch ein Anliegen, je politischer, desto persönlicher.
Die Zeit, die ich ihm SO gegönnt hätte: er hatte sie nicht.
Und nicht erst wird er uns, wird er mir fehlen. Er fehlt mir jetzt schon.

Hellmut Seiler

Foto: Éva Iszlai-Seiler

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