In meiner Eigenschaft als Ex-Präsident des Exil-PEN im Internationalen P.E.N. möchte ich dem am 26. Februar 2022 in Starnberg verstorbenen Hans Bergel, einem langjährigen Mitglied unserer Exil-P.E.N.-Vereinigung, im Namen unseres Präsidiums und aller Mitglieder für sein europaweit wirkendes literarisches Werk und seine reichhaltige journalistische Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland wie auch für die siebenbürgische und die rumänische Presse nach 1990 meinen herzlichen Dank aussprechen. In tiefer Trauer um Hans Bergel, den wir auf unseren Jahresversammlungen in den vergangenen zehn Jahren in ganz unterschiedlichen Rollen als Autor seiner zahlreichen Werke, als aktiven Teilnehmer an unseren Streitgesprächen und als engagierten Vertreter europäischer demokratischer Werte erlebten, möchte ich vor allem seine Verdienste um sein schriftstellerisches Werk und sein Wirken für die deutsch-rumänische, siebenbürgische und deutsche literarische Kultur würdigen.
Der am 26. Juli 1925 im siebenbürgischen Rosenau geborene Hans Bergel wurde nach einer glücklichen Kindheit von den Auswirkungen des II. Weltkrieges in seiner Heimatstadt tief betroffen. Ihm widerfuhr eine Vielzahl an traumatischen Erlebnissen, die aus Gefängnisaufenthalten, Flucht vor der drohenden Deportation nach Russland und geheimen Aktionen im antikommunistischen Untergrund bestanden. Dieser Lebensabschnitt bildete die Grundlage für sein früh einsetzendes literarisches Werk, das sich bis in die späten 1950er Jahre unter dem Siegel der Verschwiegenheit entfaltete. Spiegelbild dieses klandestinen Schaffens war sein 1947 entstandener Roman „Fürst und Lautenschläger“, den Bergel erst 1957 publizieren konnte. Er wurde – neben anderen Anklagepunkten - zum Gegenstand einer Anklage im Kronstädter Schriftstellerprozess, in dem er zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. 1964 nach einer Generalamnestie freigelassen, schlug er sich neben körperlich schweren Tätigkeiten mit journalistischen Auftragsarbeiten durch. Sie bildeten neben seinen existentiellen Erfahrungen mit Willkür, körperlicher Gewalt und Meinungsunterdrückung in der kommunistischen Diktatur die Grundlage für eine Reihe von Romanen wie „Der Tanz in Ketten“ oder „Wenn die Adler kommen“, Werke, die erst nach Hans Bergels Ausreise aus Rumänien 1968 in der Bundesrepublik Deutschland erscheinen konnten.
Die folgenden Jahre waren von einem vielfältigen kreativen Schaffen geprägt. Neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit als Journalist beim Bayerischen Rundfunk und als Schriftleiter bei der Siebenbürgischen Zeitung zwischen 1970 und 1989 entstanden zahlreiche Erzählbände, Reiseberichte, Sammelbände zu kulturhistorischen Fragestellungen und eine Reihe von Romanen, die Bergels unermüdliches Schaffen bis in die späten 2010er Jahre belegen: Wenn die Adler kommen, Die Wiederkehr der Wölfe wie auch Die Stunde der Schlangen dokumentieren seinen Willen, den tragischen historischen Einbruch des sowjetischen Kommunismus in die europäische Nachkriegsgeschichte fiktional und dokumentarisch zu belegen. Hans Bergel erwies sich auf diese Weise als unerbittlicher Mahner vor der Wiederholung von nationalistisch-faschistoider Gewalt, die tragischerweise während seines Ablebens in einer Starnberger Klinik durch den militärischen Überfall Russlands auf die Ukraine ausgelöst wurde.
Mitten in diese erschütternde Zeitenwende hinein wird nunmehr auch der Exil-PEN vor die Aufgabe gestellt, gemeinsam mit geflüchteten ukrainischen Autorinnen und Autoren an einem psychomentalen Verständnisprozess zu arbeiten, in den die aus Russland emigrierten und geflüchteten Schriftsteller*innen aufgenommen werden müssten. Gefragt sind deshalb die schmerzlichen Erfahrungen von Autoren, die sich ungeachtet des zur Verzweiflung treibenden gegenwärtigen existentiellen Elends bereit sind, von neuem den scheinbar ausweglosen mentalen Prozess der Wiederaufarbeitung einzuleiten. Hans Bergel, der mit einer Fülle von Ehrungen und Auszeichnungen für sein völkerverbindendes Schaffen gewürdigt wurde, könnte uns in diesen Wochen der Verzweiflung und Depression aus seinem Born der Erfahrungen nicht nur Trost spenden, sondern uns aus seinem Erfahrungsschatz manche Ratschläge zukommen lassen. Leider müssen wir uns angesichts der hora mortis mit seinem reichen schriftstellerischen Schaffen und seinen übermittelten Erfahrungen begnügen.
Mögest Du, lieber Hans Bergel, mit deinen Romanen, Erzählungen, Aufsätzen und lebensphilosophischen Ratschlägen uns in unseren Verständigungsbemühungen beistehen. Umso intensiver werden wir dein Werk pflegen, in Gedenklesungen, mit Zitaten aus deinen Aufsätzen, in literarischen und literaturkritischen Reflexionen über dein schriftstellerisches Erbe. Auf diese Weise bleibst du uns erhalten in unserem Dialog mit Südosteuropa, Europa und der Welt. Du bist und bleibst Ehrenmitglied in unserem Exil-P.E.N. deutschsprachiger Länder. Wir holen dich immer wieder zurück in unsere Erinnerungsarbeit und laden Elke, deine langjährige Lebenspartnerin, herzlich zu dieser Erinnerungsarbeit ein. Ruhe in Frieden! Dein literarisches Werk und deine Persönlichkeit bleiben für uns Ansporn und Herausforderung für die zukünftige Tätigkeit unserer literarischen Vereinigung.
Professor Dr. Wolfgang Schlott, Ex-Präsident, 31.März 2022