Herzlich willkommen beim Exil-P.E.N. im Internet!

Im Exil-P.E.N., Sektion deutschsprachiger Länder, sind vorwiegend Autoren, die aus politischen Gründen ihre Heimat verließen oder gar verlassen mussten, verbunden.
Schriftsteller, die im Exil leben, schauen auf einen weiten Horizont. Ihr Blick richtet sich oft über Grenzen hinaus und in die Details anderer Gesellschafts- und Lebensformen hinein. Das kann für eine Gesellschaft, die sich dafür öffnet, von Nutzen sein – nicht im Sinne von Besserwisserei, sondern zur Erweiterung von Erfahrung. Und wie könnte diese lustvoller geschehen als durch Literatur?
Wir laden Sie ein, hier die Autoren des Exil-P.E.N. kennenzulernen – sowohl durch eine sich aufbauende Sammlung ihrer Texte, als auch durch Stellungnahmen zum (literarischen) Zeitgeschehen.

Ursula Teicher-Maier

ECHO 12 2018 2018.10.27. FRANKFURT AM MAIN EXIL PEN 60

Jahrestagung und Jahresversammlung des Exil-PEN – 27. Oktober
Jahresbericht des Vorsitzenden WS

Nach mehr als zehn Jahren, die ich mit der Zustimmung unserer
Mitglieder als Präsident des Exil-PEN verbracht habe, komme ich
zu einer ernüchternden Bilanz. Ich beobachte, ungeachtet
meiner ständigen Bemühungen um die fachliche und
publizistische Unterstützung unserer Mitglieder und des Pop-
Verlags in der Form von Rezensionen und Verweisen in Fach-
und Kulturzeitschriften auf deren Buchveröffentlichungen, ein
rapide nachlassendes Interesse an den Unterstützungen von
Stellungnahmen gegen den anwachsenden Rechtspopulismus
oder den Antisemitismus nicht nur in Deutschland. Wenn ich in
der Statistik unserer Resolutionen, Proteste und
Solidaritätserklärungen der Jahre 2007 bis 2018 nachschaue,
dann stelle ich fest, dass eine rasch nachlassende Anzahl an
öffentlichen Bekundungen mit einem wachsenden Bedenken
oder Nicht-Reaktionen auf Stellungnahmen (manchmal sogar
mit Reaktionen, wie z.B. wir sind doch eine literarische
Vereinigung und nicht ein Protest-Verein gegen das Auftreten
von Hooligans, wie im Sommer 2018) in Verbindung steht. An
ihre Stelle treten jetzt Mails mit verdeckt intrigantem Inhalt und
oder Aufforderungen, man solle alles nochmal sorgfältig
diskutieren. Ich werde dazu noch einmal Stellung nehmen!
Parallel dazu beobachte ich ein erfreuliches Engagement
unserer Mitglieder Ursula Teicher-Meier und Katharina Kilzer bei
der elektronischen Vermarktung der Publikationen unserer
Mitglieder auf unserer website wie auch in Facebook und der
aus bereits genannten Gründen nachlassenden Zahl an
Resolutionen. An dieser Stelle möchte ich ein hohes Lob und
Anerkennung für diese Aktivitäten im Dienste des Exil-PEN
deutschsprachiger Länder aussprechen. Ich möchte ich auch
Ursula Jetter zur demnächst anstehenden Verleihung des
Bundesverdienstkreuzes am Band für Ihre mehr als
vierzigjährige literarische und publizistische Tätigkeit im
Bundesland Baden-Württemberg gratulieren, für die
Herausgabe der seit 40 Jahren erscheinenden Zeitschrift
exempla, die auch Mitglieder unseres Exil-PEN in den
vergangenen mehr als zehn Jahren immer wieder mit Beiträgen
gefüttert haben. Und an dieser Stelle darf ich auch unserem
neuen Mitglied Erwin Tigla aus dem Reschitza in Rumänien für
seine vorbildliche Arbeit als Herausgeber und Organisator von
Literaturfestivals und Publikationen im Dienste der deutschen
Minderheit im Süden des Banats gratulieren. Und
möglicherweise werden meine Bemühungen für den Verleih des
Bundesverdienstkreuzes für unser Mitglied Herbert Somplatzki
aus Schmallenberg Früchte tragen. Er hat es aufgrund seiner
unermüdlichen literarischen, kulturpolitischen und
publizistischen Bemühungen um die masurisch-polnischen und
deutschen Beziehungen nach 1945 wie auch seine und
Gerlindes Bemühungen um das literarische Profil des
Ruhrgebiets und des südwestfälischen Landstriche mehr als
verdient.

FRANKFURT AM MAIN 2018.10.26. 65 94
Ich könnte an dieser Stelle fortfahren und ein Loblied auf die
zahlreichen Buchveröffentlichungen unserer Mitglieder singen,
besonders auf die Publikationen unserer jüngst in Weißenfels
aufgenommenen Mitglieder Katharina Eismann, Tamara Labas
und Iris Wolf, ich könnte mehr über andere
öffentlichkeitswirksame Aktionen unserer Mitglieder reden,
wenn ich darüber informiert worden wäre. Leider beschränkt
sich der Informationsfluss oft nur auf Dichterlesungen, und
wenn, dann z.B. im fernen Moskau, wie von Dir, lieber Boris.
[Vielleicht werde ich auch mal eine Rundmail schicken. Jetzt
auch in NY in einer führenden Literaturzeitschrift
veröffentlicht].Da lobe ich mir unsere polnische Kollegin, Halina
Baran, die mich sehr oft über ihre Buchpremieren informiert und
mir auch über ihren mentalen Zustand nach ihrer soeben
überstandenen schweren Krankheit berichtet hat. Oder auch
unseren Alexej Makushinski, der mich – wenn auch nur – über
Facebook regelmäßig über seine erfolgreichen
russischsprachigen Publikationen informiert. Er hat uns,
nachdem ich ihm und dem Hanser Verlag in der Internet-
Zeitschrift The European eine lange Besprechung zu seinem
Roman Dampfschiff nach Argentinien geschrieben habe, am
Sonnabend aus diesem Werk gelesen. Soweit das Wichtigste
über unseren –m. A. nach – sparsamen literarischen und
literaturkritischen Austausch. Und die Konsequenzen daraus?
Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ich meinen Job
nochmal nach 2019 übernehmen sollte bzw. gewählt werden
sollte, dann nicht mehr unter diesen Bedingungen. An dieser
Stelle möchte ich mich ausdrücklich für die unermüdliche Arbeit
unserer Schatzmeisterin bedanken, die neben ihrer stressigen
Tätigkeit als Geschäftsführerin der Graduiertenschule an der Uni
Regensburg unsere schmalen Vereins-Einkünfte und müßigen
Mitgliedszahler verwaltet bzw. ermahnt.
Was ist noch zu vermelden, wem habe ich im Namen unseres
Präsidiums besonders zu danken? An erster Stelle natürlich
Ljubisa Simic, der Ilse Hehn, Hellmut Seiler und mich seit
Dezember 2017, nach unserer Entscheidung in Frankfurt/M. in
den gastlichen Räumen und der Tagungsstätte des
Schriftstellervereins Sieben zu tagen, ständig in fürsorglicher
Weise über die Infrastruktur und weitere Angebote für den
Ablauf unserer Tagung informiert hat. Er hat mich auch über
eine eventuelle finanzielle Unterstützung von Seiten des
Kulturamtes in Frankfurt auf dem Laufenden gehalten hat.
Leider ist daraus nichts geworden, weil nur in Frankfurt/M.
registrierte Kultur- und Literaturvereinigungen finanziell
gefördert werden. Deshalb müssen wir auch in diesem Jahr auf
unsere eisernen finanziellen Reserven zurückgreifen und freuen
uns deshalb auch über die solidarische, freundliche
Unterstützung des Schriftstellervereins Sieben.
ECHO 12 2018 2018.10.27. FRANKFURT AM MAIN EXIL PEN 20

Nachrufe:
Dr. Kay Hoff
Am 28. März 2018 ist unser langjähriges sozusagen ruhendes
Mitglied, der Schriftsteller und promovierte Germanist Dr. Kay
Hoff, geboren 1924 in Neustadt (Holstein), von uns allen
unbemerkt verstorben. Leider habe ich unser Mitglied Kay Hoff
nie persönlich kennengelernt. Sein Name war in der von Hans
Lindemann übernommenen Mitgliederliste unter der Rubrik
formelles Mitglied ohne Beitragszahlung vermerkt. In der jüngst
an der TU in Berlin von Thomas Wörther unter dem Titel
„Schriften eines Unbequemen. Das Prosawerk“. Gutachter der
renommierte Germanist Prof. Dr. Hans Dieter Zimmermann,
erschienen Dissertation lese ich: Themen seines umfangreichen
Werkes: Vergangenheitsbewältigung und Schuld, Kritik am
Kleinbürgertum, Krise des Individuums. Sein prosaisches und
lyrisches Werk umfasst sieben Romane, dutzende Erzählungen,
12 Gedichtbände, 40 Hörspiele, zahlreiche Hörspiele. Ein
umfangreiches Werk, in dem die Titel einiger Bücher auffallen:
In Babel Zuhause oder Voreheliche Gespräche, aus denen ich
Euch – in Erinnerung und Gedenken an Kay Hoff zitieren werde.
Gottlob hat die UB Bremen zwei seiner Publikationen im
Bestand.
Nach dem Urteil von Thomas Wörther zeichnet sich sein Werk
durch zwei markante Phasen aus: In den 40er Jahren der
Überlebenskampf der kleinen Leute. In den 60er Jahren eine
experimentelle Prosa, in der die gesellschaftliche Krise in
inneren persönlichen Krisen niederschlägt.
Und auffällige Merkmale ausseiner Biografie: In den frühen 70er
Jahren war er Leiter des Deutschen Kulturzentrums in Tel Aviv.
Vielleicht findet sich unter uns, der noch recherchieren möchte
... Aber den meisten geht es ja wohl um die Spiegelung in
eigenen Texten oder?

Dr. Dietmar Scholz
1933 in Kunitz (Niederschlesien) – 13. Februar 2016 in
Reutlingen
Mitglied im International PEN-Club, VS und der Künstlergilde
Esslingen.
Dichter, Prosa-Schriftsteller und bildender Künstler. Verfasser
von Kinder- und Jugendbüchern. Essays und Hörspielen. Im
Bereich der Epik. Schrieb „Geschichten einer Generation, die
von Krieg und Vertreibung geprägt war.“
In der bildenden Kunst: „bringt er Text, Bild und Musik
zusammen“ und in seinen bildkünstlerischen Arbeiten kamen
Techniken, Motiv und Form zusammen. Er war ein
leidenschaftlicher Berufspädagoge. Eichendorff-Literaturpreis
1985 und der Edith-Heine-Lyrikpreis der Stiftung Kulturwerk
Schlesien im Jahr 2014

Liebe Freunde des Zentrums der Schriftsteller/innen deutschsprachiger Länder im Internationalen P.E.N.,

es mag überraschend sein, dass sich Euer Präsident am Tag der Deutschen Einheit, am 3. Oktober 2018, an alle unsere Mitglieder und Sympathisanten mit einer Erklärung wendet. Wie Ihr in meiner länger als zehn Jahre währenden „Dienstzeit“ in Erfahrung bringen konntet, bin ich kein Vertreter einer ausschließlich nationalen Präsentation unserer literarischen und kulturpolitischen Interessen. Vielmehr habe ich mich in diesem Dezennium stets um eine transnationale, multi- und interkulturelle Repräsentanz unserer Exil-P.E.N.-Vereinigung bemüht. In diesem Zeitraum habe ich die Publikationen unserer Mitglieder in mehr als zehn deutschsprachigen Zeitschriften, Internet-Medien und Tageszeitungen nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch in deutschsprachigen Medien in der Tschechischen Republik, in Österreich, der Schweiz und in Rumänien in Form von Rezensionen und Artikeln gefördert. Ein kleiner Teil dieser Rezensionen und Besprechungen ist auf der website unseres Vereins unter www.exil-PEN.de nachzulesen. Parallel zu diesen Veröffentlichungen habe ich im Namen unserer Vereinigung und unseres Präsidiums zahlreiche Petitionen, Resolutionen und Memoranda publiziert, um die demokratische Haltung unserer literarischen Vereinigung gegenüber den zahlreichen Verletzungen elementarer Menschenrechte in autokratischen und diktatorischen Regimen zum Ausdruck zu bringen.
Warum wende ich mich ausgerechnet am Tag der deutschen Einheit, sogar ohne Absprache mit unserem Präsidium, an Euch? Es sind die gesellschaftlich bedrohliche Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, die sich abzeichnenden parallelen Gesellschaften, der verdeckte und offene Antisemitismus in unterschiedlichen sozialen Bereichen, und es sind die immer frecher auftretenden rechtspopulistischen und neonazistischen Cliquen, die von unserer kleinen Interessenvertretung der im deutschen Exil lebenden Schriftsteller/innen und Journalisten eine entschiedene Abwehrhaltung erforderlich machen. Es geht also an diesem Tag vor allem nicht um eine Beweihräucherung der in den vergangenen 28 Jahren erzielten bescheidenen Erfolge bei der Integration von legal Eingewanderten und von politischen Flüchtlingen mit Asylrecht in die Lebens- und Arbeitswelt der Bundesrepublik Deutschland. Es handelt sich in meiner Erklärung vor allem um ein deutlicheres politisches Engagement für die Bewahrung demokratischer Grundrechte, gegen die raffinierte und zugleich dummdreiste Verleumdung aktueller Tatsachen und historischer Erkenntnisse vor allem in der rechtsradikalen Journaille, aber auch in extrem-linken, postrevolutionären Kreisen.
Ich appelliere an Euch, liebe Freunde, mit dem Blick auf diese bedrohlichen gesellschaftlichen Tendenzen: Setzt Euch mit den dreisten Verleumdungen demokratischer Gepflogenheiten journalistisch auseinander, macht alltagspolitische Ereignisse und deren kritische Karikierung in Presse und Rundfunkt zum Thema Eurer literarischen Arbeiten, schreibt über die Reaktionen Eurer Nachbarn nach Überfällen auf Flüchtlinge oder deren Widerstand gegen unrechtmäßige Behandlung, bemüht Euch um die Darstellung der materiellen Situation von immigrierten Bürgerinnen und Bürgern, seid mutig, resigniert nicht, weil das Internet nur noch flüchtige Eindrücke vermittelt und die öffentliche Meinungsbildung sich „verflüssigt“. Ich würde mich über ein kontroverses Echo auf meine Erklärung freuen. Auf jeden Fall sammeln wir Eure literarischen Beiträge für unsere nächste Anthologie. Und die wird fetzig werden.
Wolfgang Schlott

Bremen/Regensburg, 3. Oktober 2018

Ota Filip (1930-2018) 

Abschied, Gedenken und Würdigung einer Schriftsteller-Persönlichkeit

Der am 9. März 1930 in Schlesisch-Ostrau geborene und am 2. März 2018 in Garmisch- Partenkirchen verstorbene tschechische und deutsche Schriftsteller Ota Filip gehörte jener Generation von tschechischen Autoren an, die auf zweifache Weise unter den schrecklichen Machtverhältnissen nach dem II. Weltkrieg leiden mussten. Nach dem Abitur 1948 arbeitete er nach Abschluss eines Fernstudiums an der Karls-Universität in Prag als Zeitungs- und Rundfunkredakteur. Nach einer einjährigen Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei wurde er aus deren Reihen wegen regimekritischer Äußerungen im Jahr 1960 ausgeschlossen. In den 1960er Jahren wurde er wegen „staatsfeindlicher Aktivitäten“ zweimal zu Haftstrafen verurteilt. Zwischen seinen Gefängnisaufenthalten schickte er literarische Manuskripte an bundesdeutsche Verlage. Auf diese Weise konnte er beim S. Fischer Verlag in den 1960er Jahren drei Romane publizieren, und in der Vorphase des Prager Frühlings durfte er den viel beachteten Roman „Café an der Straße zum Friedhof“ in einem tschechischen Verlag veröffentlichen. Ungeachtet seiner wachsenden Anerkennung als Schriftstellers wurde er 1969, nach der Niederschlagung des Prager Reform-Sozialismus, erneut wegen so genannter systemkritischer Aktivitäten in Haft genommen. Nach seiner Entlassung arbeitete er in verschiedenen Berufen, solange bis er mit seiner Familie in die Bundesrepublik Deutschland ausgebürgert wurde. In den 1970er und 1980er Jahren arbeitete er als Lektor, Kultur- und politischer Redakteur, publizierte eine Reihe von hoch gelobten Romanen, unter denen vor allem „Die Himmelfahrt des Lojzeck Lapáček aus Schlesisch-Ostrau“, „Großvater und die Kanone“, „Café Slavia“ wie auch „Das Russenhaus. Roman um Gabriele Münter und Wassily Kandinsky“ herausragten.

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