Herzlich willkommen beim Exil-P.E.N. im Internet!
Im Exil-P.E.N., Sektion deutschsprachiger Länder, sind vorwiegend Autoren, die aus politischen Gründen ihre Heimat verließen oder gar verlassen mussten, verbunden.
Schriftsteller, die im Exil leben, schauen auf einen weiten Horizont. Ihr Blick richtet sich oft über Grenzen hinaus und in die Details anderer Gesellschafts- und Lebensformen hinein. Das kann für eine Gesellschaft, die sich dafür öffnet, von Nutzen sein – nicht im Sinne von Besserwisserei, sondern zur Erweiterung von Erfahrung. Und wie könnte diese lustvoller geschehen als durch Literatur?
Wir laden Sie ein, hier die Autoren des Exil-P.E.N. kennenzulernen – sowohl durch eine sich aufbauende Sammlung ihrer Texte, als auch durch Stellungnahmen zum (literarischen) Zeitgeschehen.
Ursula Teicher-Maier
Wir kannten einander nicht lange, eingehender erst nach 2014 nach seiner von allen Mitgliedern begrüßten Aufnahme in den Exil-PEN, Sektion der Schriftsteller im Exil deutschsprachiger Länder, wie der offizielle Name des Berufsvereins lautet. Davor hatten wir schon Bekanntschaft geschlossen, Kontaktdaten ausgetauscht, einmal rief er an, ich solle mir eine Sendung auf SAT.3 mit ihm und über ihn anschauen, ich ging hinüber zum Nachbarn, da wir keinen Fernseher hatten. Gemerkt habe ich mir aus dem Dokumentationsfilm seine angebliche „Schwäche für altes Gemäuer“, wie er es dort vor der Kulisse einer siebenbürgischen Kirchenburg formulierte.
Jede Zeitspanne einer näheren Bekanntschaft mit ihm käme mir allerdings kurz vor.
Bei allen Tagungen des Exil-PEN haben wir uns ausgiebig ausgetauscht, auch unsere „Gattinnen“, wie er sie nannte, kamen sich näher; besonders, wenn Hans und ich ins Siebenbürgisch-Sächsische verfielen, was wir gern pflegten.
Auch wenn er anrief, um eine knappe Auskunft zu erhalten, immer zielgenau, haben wir Mundart gesprochen, die uns beiden lag. Oft dauerte das Gespräch dann länger als eine halbe Stunde; dabei ging es um Grundsätzliches, keine Plauderei am Hörer, auch nicht in Sicht. Unüberhörbar dabei „das atemlos Hastende in, das Drängende, Treibende hinter deiner Stimme: als hättest du keine Zeit“, wie ich diesen Spannungszustand in einem Widmungsgedicht genannt habe.
Seine ausführlichen Briefe bin ich dabei zu sichten und zu ordnen; sie haben mich regelmäßig über die Lesezeit hinaus beschäftigt: weil sie einen Grundton hatten, der einmalig ist: eine Ernsthaftigkeit, die über das Abhandeln eines Themas hinausging. Es war ihm, was er ansprach, immer auch ein Anliegen, je politischer, desto persönlicher.
Die Zeit, die ich ihm SO gegönnt hätte: er hatte sie nicht.
Und nicht erst wird er uns, wird er mir fehlen. Er fehlt mir jetzt schon.
Hellmut Seiler
Foto: Éva Iszlai-Seiler
In meiner Eigenschaft als Ex-Präsident des Exil-PEN im Internationalen P.E.N. möchte ich dem am 26. Februar 2022 in Starnberg verstorbenen Hans Bergel, einem langjährigen Mitglied unserer Exil-P.E.N.-Vereinigung, im Namen unseres Präsidiums und aller Mitglieder für sein europaweit wirkendes literarisches Werk und seine reichhaltige journalistische Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland wie auch für die siebenbürgische und die rumänische Presse nach 1990 meinen herzlichen Dank aussprechen. In tiefer Trauer um Hans Bergel, den wir auf unseren Jahresversammlungen in den vergangenen zehn Jahren in ganz unterschiedlichen Rollen als Autor seiner zahlreichen Werke, als aktiven Teilnehmer an unseren Streitgesprächen und als engagierten Vertreter europäischer demokratischer Werte erlebten, möchte ich vor allem seine Verdienste um sein schriftstellerisches Werk und sein Wirken für die deutsch-rumänische, siebenbürgische und deutsche literarische Kultur würdigen.
Der am 26. Juli 1925 im siebenbürgischen Rosenau geborene Hans Bergel wurde nach einer glücklichen Kindheit von den Auswirkungen des II. Weltkrieges in seiner Heimatstadt tief betroffen. Ihm widerfuhr eine Vielzahl an traumatischen Erlebnissen, die aus Gefängnisaufenthalten, Flucht vor der drohenden Deportation nach Russland und geheimen Aktionen im antikommunistischen Untergrund bestanden. Dieser Lebensabschnitt bildete die Grundlage für sein früh einsetzendes literarisches Werk, das sich bis in die späten 1950er Jahre unter dem Siegel der Verschwiegenheit entfaltete. Spiegelbild dieses klandestinen Schaffens war sein 1947 entstandener Roman „Fürst und Lautenschläger“, den Bergel erst 1957 publizieren konnte. Er wurde – neben anderen Anklagepunkten - zum Gegenstand einer Anklage im Kronstädter Schriftstellerprozess, in dem er zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. 1964 nach einer Generalamnestie freigelassen, schlug er sich neben körperlich schweren Tätigkeiten mit journalistischen Auftragsarbeiten durch. Sie bildeten neben seinen existentiellen Erfahrungen mit Willkür, körperlicher Gewalt und Meinungsunterdrückung in der kommunistischen Diktatur die Grundlage für eine Reihe von Romanen wie „Der Tanz in Ketten“ oder „Wenn die Adler kommen“, Werke, die erst nach Hans Bergels Ausreise aus Rumänien 1968 in der Bundesrepublik Deutschland erscheinen konnten.
Die folgenden Jahre waren von einem vielfältigen kreativen Schaffen geprägt. Neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit als Journalist beim Bayerischen Rundfunk und als Schriftleiter bei der Siebenbürgischen Zeitung zwischen 1970 und 1989 entstanden zahlreiche Erzählbände, Reiseberichte, Sammelbände zu kulturhistorischen Fragestellungen und eine Reihe von Romanen, die Bergels unermüdliches Schaffen bis in die späten 2010er Jahre belegen: Wenn die Adler kommen, Die Wiederkehr der Wölfe wie auch Die Stunde der Schlangen dokumentieren seinen Willen, den tragischen historischen Einbruch des sowjetischen Kommunismus in die europäische Nachkriegsgeschichte fiktional und dokumentarisch zu belegen. Hans Bergel erwies sich auf diese Weise als unerbittlicher Mahner vor der Wiederholung von nationalistisch-faschistoider Gewalt, die tragischerweise während seines Ablebens in einer Starnberger Klinik durch den militärischen Überfall Russlands auf die Ukraine ausgelöst wurde.
Mitten in diese erschütternde Zeitenwende hinein wird nunmehr auch der Exil-PEN vor die Aufgabe gestellt, gemeinsam mit geflüchteten ukrainischen Autorinnen und Autoren an einem psychomentalen Verständnisprozess zu arbeiten, in den die aus Russland emigrierten und geflüchteten Schriftsteller*innen aufgenommen werden müssten. Gefragt sind deshalb die schmerzlichen Erfahrungen von Autoren, die sich ungeachtet des zur Verzweiflung treibenden gegenwärtigen existentiellen Elends bereit sind, von neuem den scheinbar ausweglosen mentalen Prozess der Wiederaufarbeitung einzuleiten. Hans Bergel, der mit einer Fülle von Ehrungen und Auszeichnungen für sein völkerverbindendes Schaffen gewürdigt wurde, könnte uns in diesen Wochen der Verzweiflung und Depression aus seinem Born der Erfahrungen nicht nur Trost spenden, sondern uns aus seinem Erfahrungsschatz manche Ratschläge zukommen lassen. Leider müssen wir uns angesichts der hora mortis mit seinem reichen schriftstellerischen Schaffen und seinen übermittelten Erfahrungen begnügen.
Mögest Du, lieber Hans Bergel, mit deinen Romanen, Erzählungen, Aufsätzen und lebensphilosophischen Ratschlägen uns in unseren Verständigungsbemühungen beistehen. Umso intensiver werden wir dein Werk pflegen, in Gedenklesungen, mit Zitaten aus deinen Aufsätzen, in literarischen und literaturkritischen Reflexionen über dein schriftstellerisches Erbe. Auf diese Weise bleibst du uns erhalten in unserem Dialog mit Südosteuropa, Europa und der Welt. Du bist und bleibst Ehrenmitglied in unserem Exil-P.E.N. deutschsprachiger Länder. Wir holen dich immer wieder zurück in unsere Erinnerungsarbeit und laden Elke, deine langjährige Lebenspartnerin, herzlich zu dieser Erinnerungsarbeit ein. Ruhe in Frieden! Dein literarisches Werk und deine Persönlichkeit bleiben für uns Ansporn und Herausforderung für die zukünftige Tätigkeit unserer literarischen Vereinigung.
Professor Dr. Wolfgang Schlott, Ex-Präsident, 31.März 2022
Verurteilung der Invasion der Ukraine durch russisches Militär
Die im Exil-P.E.N. deutschsprachiger Länder vereinten Schriftstellerinnen und Schriftsteller fordern ein sofortiges Ende der militärischen, durch Russland eingeleiteten Invasion der ukrainischen Republik.
Im Namen einer breiten Mehrheit der Mitglieder des Exil-P.E.N., unter ihnen zahlreiche Autoren aus ostmittel- und osteuropäischen Ländern, protestieren wir gegen die auf Befehl des russischen Präsidenten Wladimir Putin eingeleitete militärische Besetzung der Ukraine und die Zerstörung des Friedens und Unterdrückung der Demokratie.
Aufs Schärfste verurteilen wir diesen Krieg, den ein machtbesessener Präsident mit der Behauptung ausgelöst hat, gegen ein angeblich faschistisches Regime und wegen angeblichem Völkermord vorzugehen.
Solidarisch mit den protestierenden Millionen Menschen in aller Welt, erheben wir unsere Stimme gegen den von Putin angeordneten Angriff, der in Missachtung aller völkerrechtlichen Vereinbarungen seine Militärstreitmacht gegen ein slawisches Nachbarvolk einsetzt.
Putins Sicht ist erschütternd und zeugt von einer Überheblichkeit, mit der eine eigenständige ukrainische Literatur und Kunst, auch ein autonomer Staat ausgelöscht werden sollen. Seine Rede vom 21.2.2022 offenbart ein imperiales und nationalistisches Kulturverständnis, in dem der Vielfalt von Traditionen und der gleichwertigen Emanzipation von kleinen und großen Literatursprachen kein Platz eingeräumt wird.
Gegen die militärische Invasion der Ukraine, die weltweit und auch in Russland verurteilt wird, solidarisieren wir uns mit dem ukrainischen Volk und ganz besonders mit den ukrainischen Schriftstellerinnen und Schriftstellern sowie mit allen Kulturschaffenden, die Krieg und Aggressionen, Meinungsdiktatur und Willkür anprangern.
Wir stehen an der Seite des ukrainischen Volkes, das sich mit seinem mutigen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gegen den russischen Usurpator zur Wehr setzt. Unser tiefer Respekt gilt den Ukrainerinnen und Ukrainern, die sich mutig und entschlossen dieser Aggression und dem brutalen Vorgehen der Machthaber im eigenen Land entgegenstemmen.
Auch viele Russen sind von diesem Krieg und der katastrophalen Zuspitzung des politisch-militärischen Konflikts kulturell, seelisch und existentiell ebenfalls in höchstem Maße betroffen, stehen im Grunde auf der gleichen Seite wie alle Menschen, die empört gegen diesen unfassbaren Angriff demonstrieren. Ihnen allen gilt unsere Solidarität.
Wir fühlen nicht zuletzt den Schmerz eines 40-Millionen-Volkes mit und stehen an der Seite der flüchtenden ukrainischen Familien, indem wir für deren Unterkunft und Sicherheit auch in Deutschland eintreten und dazu beitragen wollen.
Berlin/Ludwigsburg, 4. März 2022
Im Namen des Präsidiums
des „Internationalen Exil-P.E.N. – Sektion deutschsprachige Länder“,
Prof. Dr. Wolfgang Schlott und Generalsekretär Traian Pop Traian